Ursus & Nadeschkin

Tagebuch

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11.09.2013

Aargauer Zeitung & Schweizer Familie

Aargauer Zeitung & Schweizer Familie

Nadja Sieger, seit 26 Jahren im Duo Ursus & Nadeschkin, ist ab Ende Monat als Stimme des "Chline Gspängst" in den Kinos zu hören. Vier Tage lang täglich zehn Stunden zu schreien und jauchzen habe ihr gut gefallen, sagt sie. Denn sie sei auch mit 45 noch ein Kindskopf.

Doch was ihrem Beruf als Clownin förderlich ist, läuft den Erfordernissen der Kindererziehung gelegentlich zuwider: Es bereite ihr grosse Mühe, ihren bald dreijährigen Sohn Sidney Miro, genannt Sid, zu korrigieren, sagte sie der "Schweizer Familie". "Als Komikerin lebe ich von Fehlern. nun muss ich Sid beibringen, wie man Fehler vermeidet".
(©Aargauer Zeitung 11.9.13)

Wer das ganze Interview (TItelgeschichte) aus der aktuellen Schweizer Familie lesen möchte, der kann entweder hier blättern, oder hier gleich anschliessend weiterlesen:


© Schweizer Familie vom 12.09.2013 (Ausgaben-Nr. 37)

Seit NADJA SIEGER Mutter ist, sieht sie die Welt mit anderen Augen. Die Komikerin sagt, wie sich ihr Leben verändert hat, welche Werte sie ihrem Sohn mitgibt und was ihre Rolle ist im neuen Film «S’Chline Gspängst».

Frau Sieger, spuken Sie als Gespenst durch Schlösser und alte Häuser?
Wo denken Sie hin! Zur Geisterstunde ­liege ich – wenn ich keinen Auftritt hatte – meist brav im Bett und versuche, den Tag loszulassen. Ich habe Respekt vor Gespenstern und meide Häuser, in denen es spuken soll.

Sie leihen dem kleinen Gespenst im gleichnamigen Film, der Ende September in die Kinos kommt, Ihre Stimme. Wie waren die Aufnahmen?
Grossartig. Ich durfte einer Figur Leben einhauchen, stellte mich komplett in ihren Dienst. In meinem Leben habe ich sonst alle Freiheiten. Nun steckte ich in einem Korsett, musste meine Einsätze auf die ­Sekunde genau bringen. Das genoss ich.

Sie hätten sich in dieser Rolle wunderbar austoben können, sagten Sie.
Und wie! Ich schrie, jauchzte, lachte. Ich war als kleines Gespenst mal himmelhoch jauchzend und dann zu Tode betrübt. Ich flog mit der Stimme, hüpfte im engen Studio. Ich gab vier Tage lang zehn Stunden Vollgas. Das war streng. Richtig streng.

Was fiel Ihnen besonders schwer?
Das Üben in meinem Büro war alles andere als einfach. Ich lief ständig Gefahr, dass jemand an die Tür klopfen und fragen würde, ob ich noch bei Trost sei. Im Studio war es im Hochsommer unglaublich heiss. Ich arbeitete barfuss, im Jupe und T-Shirt, kühlte mich mit Eiswürfeln.

Sie sind wie das kleine Gespenst ständig in Bewegung. Wie ähnlich sind Sie Ihrer Filmfigur?
Ich bin emotional. Wie das Gespenst. Ich bin ein schlechter Diplomat. Hoheiten nehme ich nicht allzu wichtig. Und ich werde aufs Alter hin nicht vernünftiger. Ich bleibe ein Kindskopf.

Inwiefern?
Ich stürme vorwärts und riskiere dabei, auch mal den Kopf anzuschlagen.

Am 22. Dezember 2010 übernahmen Sie die wichtigste Rolle Ihres Lebens. Sie wurden Mutter. Wie erlebten Sie die Geburt Ihres Sohnes Sid?
Ich erlebte viel Stress. Ich habe mir die Geburt – wie viele Mütter – einfacher vorgestellt. Sie ist ein Kraftakt. Sie ist aber auch ein grosses Wunder.

Was war der glücklichste Moment?
Sid in den Arm zu nehmen und ihn zu stil len. Ich war glücklich, als er trinken ­konnte. Ich spürte ein Gefühl von Nähe und Zweisamkeit. Er und ich. Nur wir beide.

Viele Mütter haben Tage nach der Geburt den «Baby-Blues». Und Sie?
Überhaupt nicht. In der Schwangerschaft fühlte ich mich eingeschränkt. Ich wurde unbeweglicher und unförmiger. Ich ­konnte nicht mehr unbeschwert joggen und tanzen. Die Geburt war eine Befreiung. Ich nahm meinen Körper gern wieder so in Empfang, wie er vor der Geburt war.

Womit hatten Sie als Mutter am meisten Mühe?
Meinen Sohn zu korrigieren. Als Komikerin lebe ich von Fehlern. Nun muss ich Sid beibringen, wie man Fehler vermeidet. Das ist eine Herausforderung. Zudem teilen mein Mann Christian und ich uns die Kinderbetreuung. Das erfordert eine ständige Organisation, eine genaue Planung.

Viele Kinder rauben Ihren Eltern den Schlaf. Ihnen auch?
Das war in der ersten Zeit nicht anders. Wir haben nicht damit gerechnet, dass wir so viele Nächte nicht durchschlafen können. Sid kam manchmal fünfmal in der Nacht. Das entzog uns Kraft und Energie. Zuweilen stiessen wir an unsere Grenzen.

Was geschah dann?
Wir waren am nächsten Tag jeweils nervlich angespannt. Doch das kümmerte Sid nicht. Er blieb fröhlich und unbeschwert.

Sie sind Tag und Nacht für Ihren Sohn da. Was gibt er Ihnen zurück?
Er ist – wie alle Kinder – ein Anarchist. Er geht seinen Weg. Das mag ich. Er liebt absurde Geschichten. Er reisst beim Jäten Blumen statt Unkraut aus. Er beobachtet ganz genau. Und wenn die Sonne untergeht, sagt er: «Bitte mehr Sonne.» Das ist irrsinig schön.

Entdecken Sie mit Ihrem Kind die Welt neu?
Auf jeden Fall. Manchmal laufe ich ihm einfach hinterher, schaue mit seinen Augen die Welt an. Ich besuche seit 20 Jahren das Theaterspektakel in Zürich. Doch erst jetzt nehme ich die vielen Angebote für Kinder wahr. Ich schaue mit Sid Strassentheater, fahre auf dem Kreisreisen-Karussell. Und lerne als Mutter jeden Tag dazu.

Was lernen Sie?
Dass man mit Kindern nicht alles planen kann. Dass Probleme auftauchen, auf die es keine einfachen Lösungen gibt.

Woran denken Sie?
An die Nein-Phase zum Beispiel. Sid sagt zwar artig «Danke». Doch im Moment sagt er vor allem «Nein». Das soll anscheinend gut sein, um den Charakter zu bilden. Doch ich finde es manchmal einfach nur anstrengend.

Wann weisen Sie Ihren Sohn in die Schranken?
Ich will Sid vor allem Nestwärme und Halt geben. Ich setze aber auch Grenzen. Stelle klare Regeln auf.

Welche Regeln gelten bei Ihnen?
Christian und ich achten darauf, dass er einen Tagesrhythmus hat, dass er zu gleichen Zeiten schläft. Zum Essen nehmen wir uns Zeit und setzen uns an den Tisch. Sid soll alle Nahrungsmittel kennenlernen, soll lieber Wasser statt Sirup trinken. Doch in unserer Familie gibt es Wichtigeres als Regeln.

Was zum Beispiel?
Sid soll vor allem mit Freude lernen. Er darf auch mal eine Dummheit machen. Wir wollen ihn nicht zum Sündenbock stempeln und ihn auch nicht mit Liebesentzug strafen.

Welche Werte geben Sie Ihrem Sohn mit?
Verlässlichkeit. Respekt. Das leben wir ihm vor. Er soll Versprechen halten und Abmachungen respektieren.

Sie sind seit bald drei Jahren Mutter. Wie haben Sie sich verändert?
Ich bin ruhiger und gelassener geworden. Toleranter. Als Mutter muss ich oft warten und muss Pläne aufgeben, weil sie nicht mit denen von Sid übereinstimmen.

Erkennen Sie sich in Ihrem Sohn wieder?
Im Aussehen gerät Sid ganz nach seinem Vater. Aber sonst sehe ich viele Ähnlichkeiten mit mir. Er hat eine unbändige Energie. Ständig ist er in Bewegung. Er bewegt sich sehr geschickt. Und er kennt die Angst nur vom Hörensagen.

Waren Sie als Kind auch so?
Ja. Ich hockte oft in den Bäumen. Und sprang von grosser Höhe in die Tiefe. ­Dabei verletzte ich mich immer wieder, kriegte viele Schrammen und Beulen ab.

Sie seien in der Jugend oft traurig gewesen, sagten Sie einmal.
Ich kannte beides. Ich war fröhlich, genoss meine Freiheit. In den Ferien durfte ich auf dem Bauernhof unserer Tagesmutter Berty melken, misten und heuen. Ich war aber auch traurig, dass meine Mutter uns verliess, als ich fünf war.

Wollen Sie an Ihrem Sohn gut­machen, was Ihre Mutter an Ihnen verpasst hat?
Ich muss nichts wieder gutmachen. Ich bin im Reinen mit mir. Aber ich liess mir viel Zeit, den richtigen Partner zu finden. Nun wünsche ich mir, dass Christian und ich zusammenbleiben. Denn ich weiss, was es für ein Kind bedeutet, wenn sich die Eltern trennen.

Was bedeutete die Trennung der Eltern für Sie?
Als Scheidungskind wurde ich in der Schule gehänselt. Ich fühlte mich manchmal einsam und schuldig.

Nun stehen Sie wieder als Nadeschkin auf der Bühne. Wie beeinflusst das Muttersein Ihre Arbeit?
Mein Bühnenpartner Urs und ich, wir sind beide Eltern. Wir haben weniger Zeit, müssen schneller Ergebnisse erzielen. Wir proben intensiver und machen weniger Pausen.

Streiten Ursus und Nadeschkin auch weniger?
Wir streiten schon lange nicht mehr so oft wie früher. Bei den Proben gehen wir gelassener mit Fehlern um. Wir und unsere Figuren sind erwachsener geworden.

Sie sind seit 26 Jahren Nadeschkin. Haben Sie auch ab und zu Lust, Ihre Figur abzustreifen?
Nein. Ich breche immer wieder aus, schlüpfe liebend gern als Schauspielerin in andere Rollen. Doch ich bin vor allem ein Clown. Und der kann seine Rolle nicht wählen. Er bekommt sie zugeteilt. Nadeschkin gehört zu mir wie meine Haut und meine Augen.

Wie schwer ist es, als Komikerin älter zu werden?
Ich renne dem Alter auch auf der Bühne nicht davon. Mit jedem Lebensjahr kommen neue Erfahrungen hinzu. Je länger ich lebe, desto mehr Geschichten habe ich zu erzählen. Das Alter macht mir keine Sorgen. Ich kann als Clown uralt werden.

Kino für Kinder
Ab 26. September läuft der Film «S’Chline Gspängst» nach dem Buch von Otfried Preussler in den Schweizer Kinos. www.chline-gspaengst.ch

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