Ursus & Nadeschkin

Tagebuch

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20.10.2013

© Schweiz am Sonntag

© Schweiz am Sonntag

MLZ; 20.10.2013
Ausgabe Südostschweiz

Die perfekte Show
Ursus und Nadeschkin gastieren mit ihrem aktuellen Programm in Rapperswil-Jona – vor zweimal ausverkauftem Haus

Dass Ursus und Nadeschkin wieder in der Region gastierten, war möglich, weil die Kellerbühne Grünfels und das Kreuz Jona zusammenspannten. Ihr Einsatz lohnte sich: Der Saal im «Kreuz» war am Freitag- und Samstagabend restlos ausverkauft.

Den Auftakt zum neuen Programm machte das Ende. Unerträglich blondiert und in Weiss sahen sich die Zuschauer mit dem Schlusspunkt einer eigenartigen Disco-Show konfrontiert. Ganze sechs Minuten dauerte das Strobo-Gewitter auf der Bühne, bevor das Licht aus ging und das Programm schon zu Ende war. Die beiden Komödianten verabschiedeten schon das Publikum bis sie abrupt merkten, dass sich die Zuschauer mit ihrer zwar «perfekten» aber doch nur sechs Minuten dauernden Show nicht so einfach abspeisen liessen: Der Saal war noch immer voll.

Ursus betonte die Benutzerfreundlichkeit und die avantgardistischen Elemente. Auch die auf den Plätzen verteilten Papierbrillen seien als give-away gefragt. Das grossartige an dem Abend war, dass alle Zuschauer mitmachten. Als hätten sie drauf gewartet, dass man sie einlädt, endlich diese Brillen aufsetzen zu können … Dabei waren es weder 3-D-Brillen noch hatten sie einen anderen wirklichen Zweck ausser den, dass die beiden Theaterkünstler auf der Bühne staunen konnten, wie «schön blöd» das aussah. Und dafür werden Ursus und Nadeschkin geliebt. Darin liegt die grosse Kunst der beiden Künstler. Sie nehmen den Zuschauer mit auf eine Reise, die eigentlich keinen Sinn macht, die aber unendlich beglückt, weil man für einen Abend miteinander unterwegs ist.

Ursus und Nadeschkin leben ihre Gegensätze und so wird fassbar, was uns fassungslos macht. Der leidenschaftlich abstrakte Ursus will alle raus manövrieren. Es muss zu Ende, sein was fertig ist. Nadeschkin findet das ganz anders und verlockt das Publikum mit der Idee einzupacken und zusammen auf «d’ Gass» zu gehen. Liebevoll surft sie auf dem neusten digitalen Hilfsmittel im Kulturprogramm von Rapperswil-Jona und findet sieben Veranstaltungen. Die Geste bringt die Zuschauer zum Rasen.

Sechshundertdreissig Personen an eine parallel stattfindende Vernissage oder ans Theaterstück in der Kellerbühne. «Wie ein riesiger flashmob», jubiliert Nadeschkin und die Zuschauer im Saal jubeln mit. Die Szene entwickelt sich zunehmend wie eine Art Kulturintervision.

Und die beiden Sprachakrobaten hauen sich die Vor- und Nachteile der avantgardistischen Leere um die Ohren. Zögernd lässt sich Ursus davon überzeugen, dass seine restriktive Kürzung der ursprünglichen Fassung lieblos ist. Und so stürzen sich die zwei Künstler in den Mittelteil. Dort hält ein Disput, bei dem Englisch-, Dänisch- und Mundart-Kauderwelsch gesprochen wird, die Zuschauer nur schwer auf ihren Sitzen. Zweifellos waren sie hingerissen. Und und man darf sicher sein, dass so mancher versuchte zu verstehen, was da gebrabbelt wurde.

Ursus und Nadeschkin feiern ihr silbernes Bühnenjubiläum. Nicht nur sie – auch das Publikum wurde älter und die Faszination lag darin, dass endlich einmal alle da waren: Die Nonnas und die Enkel, die Liebespaare und die Singles, die Alternativen und die Bürgerlichen.

Wenn Künstler es schaffen, unterschiedliche Generationen anzulocken, die für mehr als zwei Stunden nah beieinander sitzen, dann hat sich alles gelohnt.

In Bewegung: Ursus und Nadeschkin stehen mit ihrem neuen Programm «In 6 Minuten» vor dem Publikum im ausverkauften Joner «Kreuz».

(TExt: Nicola Siemon, Foto: Joel Schweizer)

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