Ursus & Nadeschkin

Tagebuch

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24.11.2002

Epilog

Epilog

Dieses Foto stammt von Jost Wildbolz, dem Hausfotograf am Hofe der «Royals», denn so brav assortiert sass uns die Knie-Family natürlich nie privat vor die eigene Linse. (Der kleine Ivan Fréderic fehlt übrigens nicht, sondern schläft einfach noch versteckt unterm Herzen der Mutter..)
Nun, dieses Bild hat etwas sehr Dauerhaftes. Generationen mit Fortbestand, das ist rar, und heute, nachdem wir eine Saison lang miteinender Tür an Tür lebten, wissen wir auch, dass es viel mehr als nur «einen Knie» braucht, damit ein so grosser Betrieb läuft und läuft und läuft...

Der Circus Knie ist in der Schweiz nicht mehr wegzudenken. Er gehört einfach dazu, kommt immer wieder, so regelmässig, wie ein Uhrwerk, und man vergisst dabei ganz, dass sich da im Hintergrund immer auch eine Armee von fleissigen Rädchen mitdreht. Dass dieses Unternehmen ganz ohne staatliche Subventionen seit 200 Jahren erfolgreich besteht, ist nicht nur Tradition und erfreuliche Tatsache, sondern hat eben auch ganz viel mit persönlichem Engagement, Kontinuität, Kreativität aber vor Allem mit viel Liebe zu tun.
Wie gross ihr Ansehen ist, merkt man erst, wenn man dem Ruf ausserhalb der Grenzen horcht.
Der Zirkus Knie ist «DIE» Adresse europaweit! Wer da engagiert ist, muss in Artistenkreisen nicht mehr viel erklären!
...nur in unserem Fall müssen wir manchmal darauf hinweisen, dass wir keine eigentliche Zirkuskarriere anstreben, sondern hier «blos besuchsweise» und ausnahmsweise für unseren Nationalzirkus im Sägemehl stehen!

17.11.2002

Schlusstrich 257

Schlusstrich 257

Es ist vollbracht! Am Sonntag konnten wir Strich Nummer zweihundertsiebenundfünfzig an unsere Garderobendecke kritzeln.
Der letzte Tag war hektisch, aber wunderschön. Alles stand im Zeichen des Abschieds: Adressen & Geschenke wurden getauscht, alles, was wir nun Tag für Tag routiniert und beinahe nebenher taten, geschah heute ungewöhnlich bewusst, weil zum letzten Mal.
Die Abendshow war traditionsgemäss gespickt mit kleinen «Dernièren-Gags», die vor allem für die Leute lustig waren, die das Programm schon mehrmals gesehen hatten. So half Angelina plötzlich in unserer Akrobatiknummer aus, und Nadeschkin stand unverhofft bei den Breakdancern mit auf den Brettern. Beim üblichen Happy Birthday zum Finale gratulierten nicht nur wir der Familie Knie, nein, es standen plötzlich alle Artisten Schlange, küssten sich ab, schüttelten Hände und es dauerte einige Minuten, bis Franco Knie sich aus dem Gewühl befreihen, und das Publikum verabschieden konnte.

Danach ging es schnell wie immer, vielleicht sogar noch etwas schneller, denn für den Abbau wurden die letzten Kräfte mobilisiert. Und währenddem das Chapiteaudach sich langsam dem Boden näherte, waren wir schon im Gotthardtunnel, unterwegs nach Rapperswil, wo wir morgens um 2 in Caravonkoje fielen.
Zum unwiderruflich letzten Mal.

16.11.2002

Artistengirls im Partyfieber!

Artistengirls im Partyfieber!

So viele verschiedene Artistenfrauen wie am gestrigen Abschlussabend, gibt es selten auf einen Streich!

unten v.l.n.r:
Jenny: Schwedin, ist ehemalige Clownin und seit einigen Jahren Partnerin und Mitarbeiterin von Ingo Stiebner (Seelöwentrainer/England)
Catherine: Australierin, trainiert an einer bisher «unveröffentlichten» Peitschen-Cowboynummer, ist Mutter von zwei süssen, kleinen Mädchen und zusammen mit Papi Serge Perselly (Jongleur/Schweiz)

oben v.l.n.r:
Jessica: Amerikanerin, ehemalige Rollschuhartistin und langjährige Partnerin von Mike (Buffetchef/Schweiz)
Nadja: Zürcherin und Inhaberin der Kamera
Marina: Russin, Seilakrobatin und langjährige Partnerin von Fransisco (Allegriabrothers/Mexico).
Aggie: Ungarin und Partnerin von Breakdancer «Hand» (Enemy Squot, Ungarn)

16.11.2002

Rauschendes Fest

Rauschendes Fest

Am vorletzten Abend gehörte die Manege uns allen – und NUR uns allen! Hätte man bei der Abschiedsparty Publikum zuschauen lassen, es hätte ein seltsames Spektakel gesehen:
Zirkusmenschen aus Marokko, Polen, Russland, Deutschland, Mexico, Frankreich, Portugal, China, Italien, Schweden, England und natürlich der Schweiz, oder anders gesagt: Zeltarbeiter, Schlosser, Techniker, Elektriker, Schneider, Musiker, Maler, Tierpfleger, Waschfrauen, Lastwagenfahrer, Küchen-, Büro- und Barpersonal, alle Artisten und natürlich die Royals – sassen für einmal dichtgedrängt im Sägemehl, assen, was Nouredin schöpfte, tranken, was Mike ausschenkte, tanzten zum Soundmix von DJ Streumi und zu der Lichtshow von Tino Caroli. Als Tanzfläche diente der Manegenrand, die Stimmung war ausgelassen, verspielt und leicht melancholisch.
Ein gebührendes Fest am Rande einer intensiven Zeit!
Wäre hier morgens um drei Tyler Brûle ins Zelt gestolpert, er hätte diesen Ort in der nächsten Ausgabe seiner Trendzeitung sofort zum hipsten Club südlich des Gotthards erkoren.

Es war spät, als die letzten sich aus dem Manegenstaub machten und früh, als sich dieselben wieder aus ihren Kojen schälten, denn am Morgen standen uns nicht nur die zwei letzten Shows, sondern auch noch der lange Rücktransport ins Winterquartier bevor: Rapperswil... und das Ende der gemeinsamen achtmonatigen Saison 2002 mit dem Zirkus Knie!

15.11.2002

Sintflut

Sintflut

Nun, da wir ständig vom Aufhören schreiben, muss auch mal erwähnt werden, was NICHT aufhört: Es regnet! Es giesst! Ununterbrochen! Tag und Nacht!
Ums Zelt werden immer tiefere Kanäle gebuddelt, um das viele Wasser umzuleiten und das ursprünglich romantische Prasseln aufs Wohnwagendach zerrt allmählich an allen Nerven.
Und im Zoo, wo nachmittags normalerweise hunderte von Besuchern die Tiere bestaunen, steht zurzeit ein einziges, waschechtes Kamel im Regen, wie ein begossener Pudel, und fragt sich vielleicht, warum das Tessin die Sonnenstube der Schweiz genannt wird und hofft, dass demnächst Noah mit seinem Kahn vorfährt...