Tagebuch
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15.09.2025
Die Süddeutsche hat uns besucht!
DIE SÜDDEUTSCHE ZEITUNG
14. September 2025
Große Kleinkunst im Münchner Lustspielhaus
URSUS & NADESCHKIN LIEFERN DADAISMUS WIE EIN SCHWEIZER UHRWERK
Die Komik-Stars begeistern seit 40 Jahren mit ihrem einzigartigen Humor. Ihre Auftritte vereinen Sprachwitz, Akrobatik und Clownerie. So auch im neuen Programm „Prspktvnwchsl“.
Kritik von Oliver Hochkeppel
Immer noch gibt es einen länderspezifischen Humor, auch wenn die Globalisierung das langsam schleift. Komiker und Kabarettisten können bestätigen, dass Deutsche oft über andere Dinge lachen als etwa Schweizer. Urs Wehrli sieht sogar in der Geografie einen Grund: „Ihr Deutschen fahrt so schnell und schnurstracks auf euren Autobahnen, bei uns Schweizern ist das alles gewundener.“
Ob es also an den Bergen liegt, Tatsache ist jedenfalls, dass Schweizer Kleinkunst und Kabarett seit jeher einen Hang zum Schrägen, Abseitigen, Zirzensischen hat, angefangen mit Franz Hohler, Massimo Rocchi oder Gardi Hutter bis zu den Reines Prochaines, den Acapickels oder Ohne Rolf. Genau in diese Reihe gehört seit fast 40 Jahren auch besagter Urs Wehrli - mit seiner Bühnenpartnerin Nadja Sieger im Duo Ursus & Nadeshkin.
In der Schweiz sind die beiden schon lange Berühmtheiten, aber auch bei uns haben sie mit ihrem besonderen Humor eine treue Fangemeinde hinter sich geschart. Was nicht nur zwei Deutsche Kleinkunstpreise 2002 und 2024 beweisen, sondern auch, dass das Lustspielhaus beim zweitägigen Gastspiel mit der Deutschland-Premiere ihres neuen Programms „Prspktvnwchsl“ ausverkauft war – obwohl die beiden seit 2018 nicht mehr hier waren. Der nach Corona angedachte München-Auftritt fiel damals übrigens aus, weil die beiden wie schon einmal vor 20 Jahren eine Saison lang mit dem weltberühmten Circus Knie auf Tournee gingen, auch, um sich dort insbesondere in den Matineen ein neues, jüngeres Publikum zu erschließen.
Nimmt man (zu ihrer Zirkus-Affinität) noch ihre Bücher, ihre Filme oder ihre Auftritte mit Symphonie-Orchestern mit in die Rechnung, dann kommt man langsam auf die Summe dessen, was man im Lustspielhaus erleben konnte: Bei Ursus & Nadeshkin greifen Sprachspiel und Sprachwitz, Poesie und Musikalität, Akrobatik und Clownerie unerreicht eng verzahnt und professionell ineinander. Dadaismus als Schweizer Uhrwerk, möchte man sagen.
Explosiv geht das schon los, beziehungsweise auch nicht, denn die mitgebrachte, quasi auf die Bühne zoomende Tür zu großen Auftritt öffnet sich zunächst selbst mit einer Bombe nicht. Sie tut dies erst nach einer aufwendigen Schlüsselsuche. Genauso schwierig wie das Anfangen erweist sich später das Aufhören: Nadeshkin will „nach 40 Jahren aussteigen“, mischt aber „als Publikum“ eher noch kräftiger mit. Muss dann aber, um wieder mitzumachen, ein fieses Casting von Ursus durchlaufen.
Weiters, wie der Schweizer sagt, gibt es einen grandiosen, „total modernen“ Sketch mit zwei Kassettenrekordern, die abwechselnd besprochen werden, um hinterher einen Witz alleine vorzutragen; eine aberwitzige Messerwerfer-Nummer, die mit einer von Plüschtieren bedeckten Rüstung endet; Magnetismus und Tanzeinlagen als Running Gags; kurzum, ein immer überraschendes, richtig kluges und nicht zuletzt saulustiges Humor-Gesamtkunstwerk. Der mächtige Applaus und das nicht zuletzt vom Münchner Kollegen und langjährigen Freund Peter Spielbauer am Schluss applizierte Blumenmeer waren berechtigt.