Ursus & Nadeschkin

Tagebuch

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16.09.2025

Münchner Abendzeitung

Münchner Abendzeitung

Eine noch grössere Lobeshymne in der Abendzeitung München, 15.9.25!
WOW!

Ein Gesamtkunstwerk aus Sinn und Unsinn

München - Lustspielhaus:
Das Schweizer Comedyduo Ursus & Nadeschkin: urkomisch!

Auf die Bühne stürmen zwei bunte Gestalten: sie gelb, er blau gekleidet – und sprechsingen in einer Sprache, die sich zwar als Schweizerdeutsch identifizieren, aber wohl von den wenigsten Anwesenden verstehen lässt. Was da los ist?

Das Schweizer Duo Ursus & Nadeschkin ist mit seinem neuen Programm „Prspttvnwchsl“in München angekommen und gibt im Lustspielhaus seine Deutschlandpremiere. Ursus heißt eigentlich Ursus Wehrli, ist Künstler in einem umfassenden Sinne und bringt unter anderem erfolgreich Ordnung in chaotische Kunstwerke. Seine „Kunst aufräumen“-bücher sind Bestseller und haben ihn bis in die „Sendung mit der Maus“gebracht.
Hinter Nadeschkin verbirgt sich die Schauspielerin, Bühnenkünstlerin, Autorin und Regisseurin Nadja Sieger. Seit 1987 sind die beiden als Duo unterwegs, längst auch außerhalb der Schweiz. 2024 wurden sie mit dem Ehrenpreis des Deutschen Kleinkunstpreises ausgezeichnet.

Was die beiden da auf der Bühne anstellen, ist erfrischend anders, in jedem Moment total charmant und verweigert sich jeder eindeutigen Zuordnung. Sie tanzen, singen, erzählen, diskutieren, musizieren und zeigen kleine Zirkusnummern. Alles eingebettet in die grundlegenden Fragen, wie ein gleichberechtigtes Zusammenarbeiten überhaupt gelingen kann, wie es ist, ein Duo zu sein.
Klar wird schnell: Es ist schwierig miteinander, aber ohne einander geht’s halt auch nicht.

Der gemeinsame (Bühnen-)alltag birgt allerlei Hindernisse, die es zu überwinden gilt. Angefangen mit der Tür, die ins Programm führt, aber leider verschlossen ist. Und wer darf eigentlich anfangen? Wenn er ihr den Vortritt lässt, beinhaltet das nicht, dass er ihn eigentlich hatte? Warum ist das so?
Sie schrauben sich in argumentative Tiefen, laufen effektvoll auf der Stelle und nehmen das Publikum mit in den ganz normalen Wahnsinn einer Zweierbeziehung. Immer wieder ertönt die Titelmelodie aus „Mission Impossible“– und als solche Unmöglichkeit stellt es sich auch heraus, zusammen dieses Programm zu meistern.Also steigt sie erstmal aus, wird Privatfrau, sich einmischende Zuschauerin und schließlich sein „oeil extérieur“, sein Auge von außen, seine Beraterin oder – wie er sagt – seine „Eule exterieur“. Zu seinem Ärgernis stolziert sie also erst mit ihren fiktiven Enkelkindern über die Bühne und mischt sich unters Publikum, während er nun „allein im Duo“ist. Seine Hula-Hoop-nummer, eigentlich ein „artistischer Höhepunkt“, muss also erstmal ohne Reifen stattfinden, weil er diese nicht findet. Als sie sie ihm schließlich reicht (schließlich hat sie ja jetzt genug Freizeit), stellt sich heraus:
Er kann das ja wirklich, hält mühelos mehrere Reifen in Bewegung.

Und das ist überhaupt so ein Ding an diesem Abend. Was die beiden da machen, ist Understatement in Höchstform.Die beiden nehmen nichts ernst, am wenigsten sich selbst. Jeden Gag drehen und wenden sie so lange, bis dahinter ganz andere Ebenen aufscheinen. Und eines wird nicht erst in der grandiosen Messerwurf-szene klar:
Ein Duo ist keiner allein.
Wenn Nadeschkin zum Tennis gehen will (weil Freizeit!), kann Ursus kein Messer auf oder neben sie werfen. So recht überzeugen lassen will sie sich auch von seinen Argumenten nicht: er werfe schließlich so schlecht, dass er sie garantiert nicht treffe… Aus einer Jahrmarkt-nummer wird im Nu eine abstruse Debatte über Vertrauen. Statt einfach einen Trick vorzuführen, zerlegen sie ihn auf komischste.Schließlich veranstaltet Ursus ein abstruses Casting, um Nadeschkin doch zurück zu holen in ihre Rolle. Am Ende ist also alles wie zu Beginn? Irgendwie schon, nur völlig anders.

Der „Prsptvnwchsl“ist gemeistert. Gemeinsam mit ihrem Regisseur Tom Ryser ist den beiden ein Gesamtkunstwerk aus Sinn und mindestens so viel Unsinn gelungen, das seinesgleichensucht. Ist das schon Dada? Oder noch Kabarett? Artistik? Clownerie? Sprachkunst gar? Diese beiden entziehen sich gekonnt allen Zuschreibungen und Labels, lassen sich nicht einordnen oder gar einengen. Sie sind, was sie sind, machen ihr Ding. Und das macht, was immer es ist, extrem gute Laune.

Text: Anne Fritsch
Foto: Joel Schweizer

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